31.5.08

Die Rückkehr eures großen Wir-Gefühls

Jetzt ist es wieder soweit. Wir spielen bald Fußball. Wir werden auf dem Rasen stehen und gegen andere Länder Fußball spielen. Und wir werden uns zu jubeln und wir werden stolz auf die sportlichen Leistungen jedes einzelnen deutschen Bundesbürgers in diesen Tagen sein. Und wenn wir nicht so erfolgreich sein sollten, haben wir immer noch unser großes Wir-Gefühl. Wir sind Deutschland und auch DU bist Deutschland, mein Freund .In diesen Tagen des überschwänglichen Patriotismus werden wir auch ganz bestimmt nicht vergessen, dass wir vor nicht allzu langer Zeit 6.300.000 Juden umgebracht und einen Weltkrieg mit 50.000.000 Toten auf dem Gewissen haben. Wir dürfen jetzt endlich mal wieder stolz sein auf unser Deutschland. Wir dürfen uns wieder in schwarz-rot-gold hüllen, unsere Autos mit Fähnchen schmücken und Stolz darauf sein, dass wir letztes Jahr 17.607 rechtsextremistische Straftaten verübt haben. Wir dürfen stolz auf unsere dramatische Zahl von Armen sein. Wir können stolz auf unseren Brandanschlag in Solingen vor ziemlich genau 15 Jahren sein und darauf, dass immer weniger Asylsuchende überhaupt erst nach Deutschland kommen. Wir können auch stolz auf unsere Konzerne sein, die nun wieder mit schwarz-rot-goldenen Produkten auf Kundenfang gehen. Wir können auch stolz darauf sein, dass die Zahl der rechtsextremen Straftaten im Jahr der vergangenen Fußballweltmeisterschaft ein nie zuvor da gewesenes Hoch erreichte.
Max Horkheimer sagte einst treffend: "Der Patriotismus in Deutschland ist so furchtbar, weil er grundlos ist." Jules Renard brachte es, wie so häufig, auf den Punkt: Zuletzt steckt in jedem Patriotismus der Krieg, und deshalb bin ich kein Patriot.
Ich für meinen Teil möchte das alles gar nicht haben. Ich möchte auch nicht, dass es ein Wir- Gefühl zwischen mir und euch gibt. Ich möchte nicht stolz auf Deutschland sein. Ich möchte die Sachen, die in Deutschland gut laufen, nicht schlecht reden. Zum Beispiel bin ich großer Freund von 24-Stunden-Tankstellen und die steigenden Benzinpreise mag ich auch. Ich möchte aber auch nicht über Vergangenes und die Gegenwart hinweg sehen. Für einen Stolz auf Deutschland wäre ich weder stark genug, noch würden meine sonst durchaus erprobten Verdrängungsmechanismen greifen. Wenn ich mich verantwortlich für die Ergebnisse eines Fußball-Länderspiels fühlen würde, müsste ich mich zugleich verantwortlich für die Scheußlichkeiten dieses Landes fühlen. Und daran würde mein Gewissen und ich untrüglich zerbrechen.

1 Comments:

Anonymous Anonym said...

Dabei haben WIR doch schon zwei Europameister-Titel dieses Jahr geholt...

- im Waffenexport &
- im Abschieben

und in Sachen Bildungsungleichheit haben wir auch ne gute Chance auf einen Platz im Finale :)

12:59 AM, Juni 29, 2008

 

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