27.6.06

von böden und herzen - das hurricane 2006

Nachdem Dortje, Sabine und Kerstin die ersten 160 Euro in Schrott investiert hatten. Trafen wir uns alle bei Kerstin. Wir fuhren zu Aldi und versenkten gegen Dortjes Protest die nächsten 150 Euro in Lebensmittel, mit denen wir auf einem Festival garantiert nichts würden anfangen können.

Um genau viertel nach drei fuhren wir los, RICHTUNG HURRICANE!

Nach kurzer Zeit der erste Stau. Dann noch einer. Und noch einer. Alle 15 Sekunden hielt Kerstin, die im Auto hinter uns Spaß hatte, das äußerst wichtige „KLO!“-Schild hoch. Was wahrscheinlich nicht nur an dem verspeistem Bier, sondern auch an der durch drei geteilten und dann getrunkenen Palette Schüttelkaffee lag. Auf jedem Rastplatz traf man Leute, die auch Richtung HURRICANE unterwegs waren. Bei allen merkte man, dass die sich drauf freuten und Lust auf ne gute Zeit hatten. Unsere Vorfreude stieg. Und mit ihr mein Wunsch nach Bier. Nach sechs Stunden erreichten wir den Parkplatz. Die Sachen schleppen, fürs Bändchen Schlange stehen, nen Platz für unser Camp suchen war eine nervige Schufterei.

Besser wurde es auch nicht, als Kerstin umkippte und ins Sani- Zelt musste. Als sie wieder kam, war die Welt wieder in Ordnung. Wir entspannten uns beim grillen von 250 Kilo Fleisch und fingen an, verschiedenste Bedenken, bezüglich der Größe des Festivals und der zum Teil noch fast fremden Peer-Group über Bord zu werfen. Unerwähnt darf nicht bleiben, dass die Anzahl unserer Zelte plus Pavillon und Personen identisch war. Bei den „HOLLIGANS!“ –SCHREIEN unserer Nachbarn und auf dem Ackerfurchen unter uns, verbrachten wir eine gute Nacht. Am nächsten morgen, gaben wir uns die Mutter aller Festivalfrühstücks: 5 Minuten Terrine und Wodka-O. Damit konnten wir uns auf den Tag einstellen und uns wohl fühlen. Wir marschierten zum Festivalauftakt und stellten fest, dass nicht nur alles bis auf Tetrapacks, sondern sogar deren Schraubverschlüsse verboten waren. Liebes Hurricane, das ist unverschämt. Unser Ärger wurde gemildert, als wir sahen, dass ein 0,3er Becks für 2 Eu 50 zu haben war. Gogol Bordello schenkten uns mit guter Musik und Show einen gelungenen Start in den Konzerte Rausch. Im Anschluss machte uns Ben Harper samt Band heiter.

Die Jünglinge der Artic Monkeys zeichneten sich durch unschädliche Musik und drängelfreudige Fans mit beschissener Laune aus. Bille und ich entspannten uns beim Essen vom China-Mann, der nicht aus China kam und gingen dann zu Fettes Brot, die meine Meinung über sie revidieren konnten: geile Show, gute Stimmung. Die können was!

Einer der Gründe meiner Anwesenheit Betrat mit dem Radio Bemba Sound System die Bühne: MANU CHAO. Er erfüllte alles, was ich mir von ihm gewünscht habe. Das war kein Konzert, das war eine Party. Tausende grinsende Gesichter, die an tanzenden Körpern klebten. GROßARTIG. Bille und ich gingen manisch zum Camp, hatten mit Max, Dortje und Sabine eine gute After Show. Die Meute des Campingplatzes hatte ihren Spaß daran gefunden, den Bauzaun, der unseren Campingplatz umgab umzureißen. Denn die Mauer musste weg. Das fanden auch unsere 24-Stunden-Gröhl-Nachbarn. Und brüllten dabei böse Sachen über die, den Zaun wieder aufstellende, Security. Die ließen nicht lange auf sich warten und schickten einen der Jungs heim. Schade.

Am nächsten Tag lies man erstmal die Konzerte tolle Ereignisse sein, traf sich mit Judith und Benny. Ging zurück zum Camp, trank Bier aus den großen 5 Liter Dosen und schaffte vor lauter Fülle an Glück das ICH ab. Es wurde ersetzt durch das WIR und DIE GRUPPE.

Das schöne war und ist, dass wir es nicht nur sagten, sondern auch ganz selbstverständlich lebten. Eine bessere Festival-Peer-Group kann sich kein Mensch wünschen. Wir fanden uns super und es war ein grandioser Nachmittag, bei dem die Niveau- Kurve bis zum Erdkern sank. Leider bekam Sabine mit, dass einige Leute, die wie jeder, auf jedem Festival, gegen den Zaun pissten, von den Sicherheitsdiktatoren vom Gelände geschmissen wurden. Durch ein Ihr-könnt-nach-hause-fahren und ein Bändchendurchschneiden. Das Selbe bei einem, der sich Abends aufregte, weil er nicht vor die Bühne gelassen wurde. Liebes Hurricane, bitte gebt euren Mitarbeitern nicht die Erlaubnis, Leute rauszuschmeißen. Da kann nichts gutes bei rum kommen! Nun gut, der Samstag Abend: vorglühen bei den Live nicht so tollen Mando Diao. Dann die auf ewig guten The Hives. Veni, Vidi, Hives!

Dann ein weiterer Grund für meine Anwesenheit: Element of Crime. Perfekt! Was für ein Konzert, was für ein Gefühlskarussell! Bille und ich gehen mit einem HACH JA! zu den Strokes, die die andere Bühne leider übertönten! Liebes Hurricane, bitte ändert eure Akustik, das ist echt doof. Beim Abschluss der Strokes dann der Werbeoberhammer: zwischen den letzten beiden Songs gab es ne Werbepause. Hammer! Ist das die Zukunft?

Dann kam der dritte Grund meiner Anwesenheit: SIGUR ROS! Das war der Knaller und das wohl beste aller Konzerte. Bis 2 uhr standen, lagen und saßen staunende Menschen einfach nur da und bewunderten die Musik und die ultimativ gute Videoshow!

Sonntag dann Hitze pur. Da wurde mir der wahre Sinn von Festivals wieder ganz bewusst: Sie sollen uns runter bringen und uns zeigen, wie viel ein Schluck Wasser oder eine Dusche wert ist. Wegen des angesagten Gewitters packten wir unsere Sachen in die Autos und fassten den Plan, nach Muse, dem letzten Konzi, zu fahren.

Wir gaben uns den Druck von Billy Talent. Dann entspannte ein Teil der Gruppe auf dem Hügel. Es war ein guter Nachmittag, bei Schlaf und Köstlichkeiten der Hurricane-Imbiss-Industrie. Im Hintergrund liefen die Mad Caddies, Lagwagon, und leider auch Apocalyptica.

Wir fanden die Helden sympathisch wie immer. Langsam zog sich der Himmel zu. Es wurde finster und es kam die Durchsage, dass man nicht wüsste, ob Muse auftreten kann. Es kam die Gewissheit auf, das Max mit seiner verfrühten Abreise mit Kathrin und Timo am Nachmittag alles richtig gemacht hatte. Wir überlegten hin und her, ob wir abwarten, oder schon mal zur Sicherheit gehen sollten. Da wir nicht auf einem Minigolftunier waren, blieben wir sitzen, bis die ersten Tropfen vom Himmel fielen. Wir machten uns auf den Weg zum Parkplatz. Dann brach das krasseste Unwetter los, in dem ich je gestanden habe. Meine Füße standen in meinem Schuhen unter Wasser, meine sauteure Regenjacke hielt keine 2 Minuten. Innerhalb von Sekunden waren wir und tausende andere komplett nass! Die Massen latschten gemütlich Richtung Parkplatz. Das Beste war, dass niemand schlechte Laune hatte. Im Gegenteil: Im fettesten Unwetter schrieen alle nur: „HURRICANE! HURRICANE!“. GEIL! Der Parkplatz, der genau wie die Campingplätze ein Acker war, war nun natürlich ein Schlammfeld. Meine Vans versanken völlig. Wir standen mitten in nem Schlammfeld, warteten auf Dortje und Kerstin und lachten, lachten, lachten. Es war großartig! Muse wurde leider abgesagt. Verständlich.

Dann ging es in die Autos. Wir zogen uns um. Und es kam, wie es kommen musste. Bille und ich kamen 30 Meter weit. Sabine und Co 20. Wir sahen so schöne Szenen, dass ich jetzt noch eine Gänsehaut bekomme. Lauter Leute liefen nur Unterhosen durch den Schlamm, den Regen und die Kälte, um anderen zu helfen. So gruben zum Beispiel ca. 10 Leute ein Auto aus England frei. Bei uns kam ein Auto von zwei Jungs geschoben vorbei. Die sahen uns und fragten, ob sie uns helfen könnten. Wir waren sehr froh und dankbar. Sie ließen ihr Auto stehen und schoben uns bis zur Straße. Wir bedankten uns 1.000.000.000.000.000.000.000 mal und fragten, ob wir was für sie tun könnten, nichts. Sie gingen und kamen mit ihrem Auto wieder. Ich fragte noch mal, und sie wollten nichts, nur ein Handtuch zum Schlamm abwischen. Ich bin denen so unglaublich dankbar!!! Dortje, Sabine und Kerstin entschieden sich, zu bleiben und die Situation zu genießen. Sie wurden ein paar Stunden später von einem Trecker befreit. Bille und ich fuhren müde, aber glücklich zurück. An den Raststätten traf man wieder Hurricane-Genossen, die berichteten, dass auf es auf den Campingplätzen noch krasser aussah. Der Schlamm soll 30 Zentimeter tief gewesen sein. Selbst eine Gruppe, die drei Zelte zurücklassen musste, fand das nicht weiter schlimm, sondern freute sich über ein tolles Wochenende.

Das HURRICANE 2006 ließ nicht nur den Boden beben und erweichen. Das Selbe passierte mit meinem Herz. Und ich bin mir sicher, dass ich von diesem Wochenende noch länger etwas haben werde, als von dem Dreck, der sich langsam aus meinem Poren waschen lässt.